Wenn der Körper streikt, um dich an den Verhandlungstisch zu holen.
Liebe:r Leser:in,
neulich bin ich aufgewacht und hatte direkt das Gefühl, einen Kater zu haben. Der Kopf hat gedröhnt und jede Bewegung fiel mir irgendwie schwer. Dabei gehe ich weder feiern, noch trinke ich besonders viel Alkohol. Komisch. Doch bevor ich mir Gedanken darüber machen konnte, woher dieser unangenehme Zustand kam, brummte schon das Handy vor sich hin. Kollegin krank. Extraarbeit für mich. Also tief durchatmen, Kopfschmerztablette einwerfen, und los geht‘s. Schließlich bin ich ein Teamplayer, nicht?
In der Mittagspause überlegte ich mir, später eine Runde laufen zu gehen. Die Bewegung wird dem Kopf sicher guttun und auch die frische Luft kann nicht schaden. Tja, gerade, als ich mir eine schöne Route überlegen wollte, wurde ich in ein spontanes Meeting gerufen. Aber natürlich, jemand muss den Laden am Laufen halten, richtig?
Abends wollte ich dann etwas früher ins Bett, eine schöne Mütze Schlaf bekommen. Die Rechnung hatte ich allerdings ohne meinen allzeit treuen Begleiter, das Smartphone, gemacht. Gewissenhaft erinnerte es mich daran, dass ich dem Kollegen noch einen letzten Entwurf für den morgendlichen Verteiler zugesichert hatte. Nun gut, das sollte nicht zu lang dauern.
Zum krönenden Abschluss des Tages, wollte der Kopf einfach nicht abschalten. Geschafft vom vielen Denken, dem Laufen und dem ungemütlichen Morgen lag ich da und starrte die Decke an. Es konnte einfach nicht wahr sein.
So kam es, dass mich der nächste Morgen nicht nur mit Kopfschmerzen, sondern auch einer kräftezehrenden Müdigkeit begrüßte. Logisch, viel Schlaf hatte ich nicht bekommen. Also gesellte sich noch eine extra Tasse Kaffee zur Tablette hinzu und weiter ging’s. Hinfallen, aufstehen, Krone richten und weiter machen, oder?
Leider bin ich – so gesehen – nur noch hingefallen. Tag für Tag wiederholte sich das ganze Spektakel. Bis ich mich am Ende der Woche dazu aufraffte, mal unbemerkt ein Checkup machen zu lassen. Muss ja keiner wissen, dass ich gerade nicht leistungsfähig genug bin.
Denn ich bin so gut wie nie krank, ich bin immer fit. Auf mich ist Verlass.
Und wie recht ich doch hatte! Keine Verspannung, kein Infekt, nur ein minimal gereiztes Handgelenk vom vielen Tippen am Computer. Es fühlte sich fast an wie ein Sieg – aber einen Sieg über wen? Meinen Körper? Warum triumphierte ich, wenn doch irgendwas nicht stimmte? Physisch schien ich fit zu sein, das ist wahr. Nur waren meine Beschwerden immer noch da.
Vielleicht schreist du, liebe:r Leser:in, bei diesen Worten innerlich schon deinen Bildschirm an. Ich hoffe es jedenfalls. Denn dann hast du weit vor mir verstanden, dass es nicht mein Körper war, der um Hilfe gerufen hat. Es war meine Psyche, mein Inneres, das sich nicht anders zu helfen wusste, als mir Signale zu senden, die ich spüren würde. Und obwohl das von außen betrachtet, immer so unverständlich scheint, wissen wir alle, dass es eigentlich verdammt schnell geht: Wir versinken regelrecht im Stress, aber ignorieren, was das mit uns macht. Um Leistung zu erbringen, nicht zur Last zu fallen und immer schön zu glänzen. Dabei können wir so gar nicht glänzen.
Als ich dachte, ich könne einfach so weitermachen, fühlte es sich im ersten Moment so an, als hätte ich einen Wettkampf gewonnen. Nämlich den, wo es darum geht, am längsten im Hamsterrad zu laufen, ohne umzukippen. Dabei ist das ein Wettkampf ohne Auszeichnung. Es ist ein Wettkampf, in dem der oder die wahre Gewinner:in die Person ist, die weiß, das Hamsterrad anzuhalten.
Und auch dafür mag es keinen Pokal geben, ja manchmal bekommst du sogar vermittelt, ein:e Verlierer:in zu sein. Aber einer wird es dir immer danken – und das ist dein Körper: Der Spiegel deiner Psyche.
Danke, dass du mir zugehört hast. Und nun tu dir bitte denselben Gefallen, ja?
Bis bald!
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